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Einleitung

ICH EMPÖRE MICH MIT KUNST

Kunst ist Vieles. Aber nicht notwendig. Kunst ist geheimnisvoll. Es geschehen in der Kunst magische Dinge. Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle (Albert Einstein).

Ein Künstler, der nicht vollkommen frei ist – und damit meine ich nicht die Freiheit, die man mit Geld kaufen kann, wie man sich einbildet – sollte es sein lassen und umschulen zum Lehrer. Sich frei zu machen vom Zeitgeist, vom Mainstream, von Sponsoren und Behörden, ist schwer und belastend, aber: es geht nicht anders. Als Künstler darf man nicht zu den „Yes-People“, den Jasagern gehören.

Der so genannte Mainstream ist das Destruktivste, was der Kunst aber auch einer freien, demokratisch sich verstehenden Gesellschaft angetan werden konnte, auch Mitläufertum, Anpassung, Gleichschaltung, politische Korrektheit – was dè facto alles andere als korrekt ist – politisches Wohlverhalten, vorauseilender Gehorsam, um Karriere zu machen, genannt. „Sag‘ mir, wo Du stehst“ hieß es in einem Lied der DDR-Jugend. „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“. Und so alternativlos. Immer schon so gewesen, nicht neu. Rekordverdächtige Höhepunkte wurden von den in den Obrigkeitsstaat verliebten Deutschen im Kaiserreich, im so genannten Tausendjährigen Reich der Nazi-Junta und in der kommunistischen Einheitsgesellschaft erklommen. Die Nazis verstanden sich als „die Deutschen“ überhaupt; die heutigen Deutschen verstehen sich nicht „gewesene“ Nazis. Komisch, nicht?

Es gibt einen Ozean von Fotos, Grafiken, digitalen Erzeugnissen bis hin zu visueller Umweltverschmutzung. Gemalte Bilder sind visionäre Abbilder, die effektivste Form, um die Realität abzubilden und intensiv zu deuten; oder neue Realitäten zu schaffen. So gelingt es, das Abstrakte des Seins in Bilder zu fassen statt das Sein als solches zu abstrahieren und damit zu sterilisieren, der Welt zu enfremden, aus dem reaen Leben zu entfernen.

Wenn die Kommunikation mit Worten versagt – was heute wieder einmal das zentrale kulturelle Problem ist – können Bilder Sinn und Wirkung vermitteln.

Kunst hat interessant zu sein. Interessant macht das Neue, Kreative, Authentische, Spannende, Kontroverse, manchmal gar Schockierende (für den deutschen Spießer-Michel). Reizvoll macht das Ästethische. Ein Abgleiten in die Tiefen von Sensationsmache, Flachwitz-Comedians oder das Tierisch-Instinktive ist keine Kunst. Kunst ist auch nicht die Nachahmung des bereits zigfach Nachgeahmten, also die tausendste Kopie oder Version eines bekannten Sujets – typisch for den Kunst-Star Picasso. Sehr Viele folgen Trends und möchten gern einen „Picasso“ haben. Gute Frage ist, warum Picasso sich derart gut verkauft, unterliegen doch die meisten Bilder immer demselben Schema. Sexismus, Frauenfeindlichkeit, ein Mix aus Gefälligkeit, Dekorativem, grob Gestricktem mit viel zu wenig tiefgründender Emotionalität.

Nichts ist schlimmer als ein Kunstwerk, das den Betrachter nicht tangiert. Wie aber sollte eine schmuddelige weiße Leinwand mit ein paar Flecken drauf oder ein komplett schwarzes Bild irgend eine Katze hinter’m Ofen hervorlocken geschweige denn faszinieren? Langeweile bzw. Belanglosigkeit sind der Tod der Kunst. Die gibt’s in Klöstern gratis und noch Rotwein dazu.

Kunst in einer Massengesellschaft bedeutet nicht, kann per Definitionem nicht zur Folge haben, dass auch der Künstler selbst Masse produziert. Oder riesige Bilder, die in ausgedienten Bahnhöfen oder Großmärkten hunderte Quadratmeter mit dekorativen Farbenspielen füllen. Das ist etwas für Tapeten.

Kunst, vor allem gemalte Bilder, sollten ein optisches Menü, ein Genuss für Augen und Seele sein. Der Mensch als Augenmensch, der Maler als der Sehende, der seine Eindrück in Bildern verarbeitet. Bilder wirken auf den Betrachter in Sekundenbruchteilen. Wäre das nicht so, würde die Menschheit aussterben. Etwas ganz anderes ist die Rezeption von Literatur, Musik, wissenschaftlichen Abhandlungen. Das sind lang andauernde Prozesse mit Eigendynamik, aber auch Fallstricken und Irrwegen.

„Bildende Kunst“ – also Bilder, die das Bewußtsein der Menschen direkt beeinflussen – stand immer im Fokus der Mächtigen, seien es religiöse Gemeinschaften, Heilslehren, Despoten, Geheimdienste, Finanzmärkte, Menschenfreunde oder Sponsoren.

DAS INSIDER SPIEL

Die Kunstindustrie braucht Ware, Risikokapital – denn was sonst sind die gigantischen Investitionen in Kunst, Museen, Universitäten usw. Die Industrie muss florieren, alte Haie zirkulieren kreisend um ihre Beute. Skeptizismus ist Sand in diesem Getriebe. Kritik, warum auch? Der Rubel muss rollen. Man kennt sich. Man zieht von einer Vernissage zur nächsten.

Das Passwort für den Zugang zur Postmoderne, XXL-Moderne oder Ultra-Moderne ist Professionalismus, die Stimmung ist Selbstbeweihräucherung. Die so genannte Avantgarde hat gewonnen und sich selbst in den Himmel gehoben. Es ist ein Spiel toter Männer. Man versteht sich selbst und die Kunst nicht mehr, aber man kennt das System, das sie trägt. Das System und seine Spielregeln, seine innewohnenden Strukturen. Es steuert den ganzen Kunstprozess und macht es älteren Künstlern oder für diejenigen, die weniger spektakulär und kommerzlastig sind, schwerer, bekannt zu werden.

Die Mainstream-Kultur absorbiert alle anderen Strömungen wie ein riesiger Schwamm, wie zu groß geratene, marktbeherrschende Konzerne den freien Wettbewerb; sie ist wie ein unterirdisches Pilzgeflecht, das sich unerkannt nach allen Seiten endlos ausdehnt. Der kommerzielle Druck ist immens. Weibliche und männliche Alphatiere bestimmen die Trends und verbinden sich zu Cliquen. Die Triebfeder für derartige Kunst ist nicht die Ästethik, sondern der Kommerz. Eine geschlossene Gesellschaft von studierten Profis, Insidern und deren Gefolge, alles Leute, die meinen, Kunst gäbe (richtige) Antworten anstatt Fragen aufzuwerfen oder Neuland zu erschließen, ist entschlossen der Kunst einen Weg zu weisen, der für Jedermann alternativlos und sicher ist. Zuviel Macht, vor allem demokratisch unkontrolliert, die sich in der Hand weniger zusammenballt, hat den Menschen und der Evolution noch nie zum Vorteil gereicht.

Und wo bleibt die Person „auf der anderen Seite des Zauns“, die Künstlerin oder der Künstler? Ein Künstler ist kein Manager. Natürlich will ein Künstler Geld verdienen. Er strebt – oft geradezu krankhaft – nach Ruhm. Aber, er handelt nicht mit Buletten oder Tomaten. Ganz wichtig: Künstler müssen Nein! sagen können.

Viele Kritiker werden so zu PR-Agenten der Kunst. Das darf nicht die Aufgabe von Kunstkritik sein. Kuratoren verhalten sich wie Superstars. Das Kllischeehafte dominiert. Brot und Spiele.

Man meint, etwas zu verpassen, wenn man bei diesem Run auf die verderbliche Ware Kunst und um Geld, Macht und Ruhm nicht dabei ist. Die globalisierte Kunstindustrie mit Konzernen wie Guggenheim hat sich weltweit ausgebreitet. Kunst wird „gemacht“ und lebt nicht aus eigener Kraft. Das Wort von der MacDonaldisierung von Kunst macht die Runde. In diesem Räderwerk ist ein Künstler Objekt. Als der eigentliche Kreator des Ganzen hat er es nicht leicht.

Die Illusion, alles zu wissen und die Gier danach, Hintergründe bis in den letzten Winkel auszuleuchten, ist eine der Krankheiten unserer Zeit. Sie steht in einem krassen Gegensatz zur heutigen Realität und dem Gefühl, dass den Menschen die gesellschaftliche Kontrolle entglitten ist. Man muss, man kann gar nicht alles wissen. Dieses „eh schon wissen“ (Songtext von Tom Liwa „es ist eh egal“) stört die Innovation und Iniative, ist also reaktionär.

„Just Do It“, der Werbespruch des Sportartikelherstellers Nike animiert zum gedankenlosen Konsum, eine Aufforderung zur Oberflächlichkeit, die auch von Kunstschaffenden, Kuratoren, Händlern, Spekulanten, Bankiers und natürlich den so genannten Kunstliebhabern angenommen wird. Das Wort „Verblödung durch Kunst“ wurde im Jahr 2008 in der Wochenzeitung DIE ZEIT geprägt.

Andy Warhol, Produzent von Massenware (typischerweise zugleich eine“Ikone“ des Kunstmarkts) war weniger ein vitaler Künstler als eine Parodie desselben. Ganz dem Kommerz, dem kurzfristigen Amüsenment und der rauschhaften Betäubung der Sinne verschrieben, verstieg er sich zu der Behauptung, dass es einem Künstler nicht möglich sei, zugleich ein Denker bzw. Intellektueller und Künstler zu sein.

Christen wandeln im Glauben und nicht im Schauen (Korinther 5:7). Man muss an die Kunst glauben, darf sie nicht hinterfragen wie so vieles andere in unserer Zeit. Unbestechlich-nüchtern die Welt zu schauen, widerspricht christlicher Ideologie. Im Gegensatz dazu ist die vorherrschende Meinung, alles zu verstehen. Die wesentlichen Probleme auf der Welt schienen im Jahr 1912 bekannt und gelöst, als die Titanic mit voller Fahrt auf den Eisberg lief.

Der amerikanische Musiker Ray Charles hat einmal gesagt:“Singen kann ich, komponieren auch; was ich aber brauche, ist ein starkes Thema“. Kunst ohne Thema und Sinn ist wie ein abgestorbener Baum, der tot in der Luft hängt. Die Hochglanzmuseen dieser Welt sind voll davon. Aber: sie selbst hängen auch in dünner Luft, weil ihre Exponate kaum Sinn, Ästethik und Neuheit vermitteln, oft geschmacklos, aber vor allem einem schnellen Alterungsprozess unterworfen sind. Frische Ware, wie auf einem Fischmarkt oder im Nachtclub, muss ran, so schnell es geht und so ausgefallen wie möglich, egal wie. Wer liefert, wird bestens bezahlt.

In den vergangenen fünfzig Jahren wurden weltweit mehr neue und immer absurdere Hochglanzmuseen (zumeist vom Staat) finanziert und gebaut wie in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor. Immer die gleichen Ausstellungen zirkulieren durch die Museen der ganzen Welt. Allmählich dominiert Langeweile. Immer schneller wird mehr von dieser verderblichen Ware auf den Markt geworfen. The show must go on. Die Karawane zieht weiter. Die Avantgarde hat sich selbst zum Bewahrer des Konservativen gemacht. Was ist aber heute Avantgarde?

Und was ist mit dem „Tanz um das Goldene Kalb“?